J.P. Martinscher Familienverband e.V.

Geschichte

Die Hugenotten-Familie Martin geht auf Jean-Pierre Martin (1674–1750) zurück, der 1685 als 10-Jähriger zusammen mit seinen Eltern und acht älteren Geschwistern aus seinem Geburtsort, dem französischen Abriès im Tal Queyras (Hautes-Alpes) geflohen ist. Sein Vater Jean-Jacques Martin hatte sich zu diesem Schritt entschlossen, nachdem Ludwig XIV. das Edikt von Nantes widerrufen hatte, mit dem von Heinrich IV. 1598 den calvinistischen Protestanten im katholischen Frankreich religiöse Toleranz gewährt worden war. Die Glaubenstreue seiner Eltern verlangte dem jungen Jean-Pierre und seinen Geschwistern viel ab: Erst nach einem langen Fluchtweg über die Hochalpen durch die Schweiz nach Genf und weiteren Stationen in Schaffhausen, Heidelberg und Frankfurt am Main wurden sie vom hessischen Landgraf Carl aufgenommen und 1686 in Carlsdorf in der Nähe von Hofgeismar zusammen mit anderen Hugenotten-Familien angesiedelt. Zwei der Brüder Jean-Pierres zogen in die Niederlande weiter.

 

 

 

Professor Dr. Ernst Martin,

1841—1910

Cuadro de texto: Am 4. Januar 1922 gründete August Martin (1847-1933), jüngerer Bruder von Ernst Martin und Professor für Frauenheilkunde in Berlin, zusammen mit einer kleinen Schar von Mitstreitern den J.P. Martin’schen Familienverband, am 15. April 1922 erfolgte die satzungsgemäße Eintragung in das Vereinsregister des Amtsgerichts Kassel. Am 24. September 1922 veranstaltete der neue Verband den ersten offiziellen Martin’schen Familientag im Pensionshaus Wilhelmshöhe in Kassel.
 
Die nordhessische Stadt blieb Treff- und Mittelpunkt der Familie, bis heute finden hier alle zwei Jahre zu Pfingsten die Familientage statt. Sie dienen in erster Linie Aufbau und Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen und der Vertiefung des familiengeschichtlichen Wissens. Dabei soll vor allem bei der jungen Generation ein Bewusstsein für das besondere hugenottische Erbe geschaffen werden. Die Mitgliederversammlung entscheidet über Angelegenheiten des Verbands. Zum Programm gehört zudem stets ein gemeinsamer Gottesdienstbesuch in Carlsdorf. An den Treffen nehmen in der Regel zwischen 50 und 60 Personen teil.

Eine wichtige Quelle für die Familiengeschichte ist das Nachkommensverzeichnis. Einmal jährlich erscheinen zudem für die Mitglieder des Familienverbands die „J.P. Martin’schen Familiennachrichten“ mit Lebensbildern, Erinnerungen und historischen Aufsätzen, aktuellen Nachrichten und Mitteilungen des Vorstands. Darüber hinaus stehen den Mitgliedern Schrifttums-, Archivalien- und Bildverzeichnisse zur Verfügung. Das Archiv der Familie Martin mit zahlreichen Schrift- und Bilddokumenten über die Familiengeschichte und einzelne Persönlichkeiten befindet sich im Stadtarchiv Kassel.

Zum fünfköpfigen Vorstand des J.P. Martin’schen Familienverbands mit insgesamt ca. 160 Mitgliedern gehören Vorsitzender, stellvertretende Vorsitzende (gleichzeitig Schriftleiterin der Familiennachrichten), Kassenwart, Schriftführerin und ein Beisitzer.

Die älteste Hugenottenkirche Nordhessens in Carlsdorf  wurde nach dem Entwurf des französischen Architekten Paul du Ry errichtet (1699—1704 ).

Jean-Pierre Martin brachte es als Kaufmann in Kassel zu Wohlstand und Ansehen. Die Zugehörigkeit zur hessischen Gesellschaft wurde durch seine zweite Ehe noch bestärkt. 1738 heiratete er die 42 Jahre jüngere Christine Elisabeth Ungewitter, eine Tochter des Superintendenten und Oberhofpredigers Johann Christian Ungewitter. Das Paar bekam sieben Kinder, die nach dem Tod Jean-Pierres bei der Familie Ungewitter und damit in einem bildungsbürgerlichen Milieu aufwuchsen.

 

Heute gliedern sich die Nachfahren Jean-Pierre Martins, von denen viele noch zur sechsten, einige aber bereits zur zehnten Generationen gehören, in eine hessische, eine thüringische und eine lippische Linie. Sie sind über ganz Deutschland verteilt, mehrere Zweige leben seit Jahrzehnten in Übersee, vor allem in Chile und Argentinien.

 

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts begannen Nachkommen von Jean-Pierre Martin, sich intensiver mit der Familiengeschichte zu befassen. Ernst Martin (1841–1910), Professor an der damals deutschen Universität Straßburg und Verfasser einer elsässischen Grammatik und eines elsässischen Wörterbuchs, sammelte für ein erstes Nachkommensverzeichnis 1896 die Namen und Daten von fast 300 Angehörigen. Ebenfalls 1896 fand in Hann. Münden ein erstes Familientreffen mit etwa 45 Teilnehmern statt. Nach Folgetreffen 1906 und 1911 unterbrach der Erste Weltkrieg die noch junge Tradition.

Martinsches Haus in Abries von Betty Martin